Sören Schwesig und Peter Schaal-Ahlers geben kirchliches Kabarett
Wenn der Mesner vorn am Altar steht und die Chance nutzt, dass der Pfarrer ihm nicht reinreden kann: Dann ist die Chance groß, dass es sich um das Kirchenkabarett „Die Vorletzten“ handelt. Denn dieses Duo stellt diejenigen in den Mittelpunkt, die man häufig übersieht, zum Beispiel eben den Mesner. Dabei ist doch gerade diese Berufsgruppe damals zum Grund und Felsen der Gemeinde gemacht worden: „Dir will ich die Schlüssel geben…“
Der Mesner ist in Wirklichkeit der Pfarrer Peter Schaal-Ahlers. Der Esslinger City-Pastor steht am Altar der Johanneskirche Wendlingen-Unterbohingen und tritt zusammen mit seinem Kollegen, dem Leonberger Schuldekan Sören Schwesig, als kirchliches Kabarett-Duo „Die Vorletzten“ auf.
Angefangen hat alles mit einem verkaufsoffenen Sonntag. Zu diesem Thema wollten die beiden zeigen, das Kirche sich nicht nur meckernd und mäkelnd auf einen Standpunkt zurückzieht, sondern die Situation auch mal anders angehen kann. Beispielsweise, indem sie sich selbst karikiert. So entstand das erste Programm der beiden Pfarrer und das Duo an sich. Jeder Teil ihres Programms gibt überspritzt die Realität wieder. Es sind -zig Erfahrungen, die beide gemacht haben oder aus Gesprächen kennen. Wie das Leid des Kirchenmusikers, der mit einem total überalterten Kirchenchor arbeiten muss: Dessen Sopräne klingen, als wäre ein Keilriemen gerissen oder die Türken lägen vor Wien.
Dabei ist das Programm kein Auslachen der Kirche. „Je näher einem die Kirche ist, desto mehr darf man lachen“, meint Schwesig. Er will mit seinem Kollegen zum Nachdenken anregen und so die Kirche voranbringen. Inzwischen wird das Programm auch tiefsinniger, Themen wie Glück oder Alter sind nicht immer zum Lachen gedacht, sondern mehr zur Selbstreflexion.
Auf Gemeindefesten der Renner
Nicht immer wird ihre Satire richtig verstanden – doch auf Gemeindefesten, Mitarbeiter-Abenden oder auch beim Oberkirchenrat kommt ihr Programm gut an. Selbst Landesbischof Frank Otfried July war sehr angetan von ihrem Programm. Ob dieser allerdings folgende Szene auch so gut fand, ist sich Sören Schwesig nicht ganz so sicher:
„Haben Sie es gut, das Sie katholisch sind“, beneiden Schwesig und Schaal-Ahlers die Mitchristen der anderen Konfession. „Allein schon, welche Namen sie haben: Karol Wojtyla, Joseph Ratzinger – die kennt die ganze Welt. Was haben wir? Den EKD-Ratsvorsitzenden Wolfgang Huber und Bischof Frank Otfried July. Wer kennt die denn schon?“ fragen die beiden Kabarettisten aufmüpfig. Und weiter: „Römisch-katholisch – das klingt nach Weite; aber Schaumburg-Lippe, Kurhessen-Waldeck, Braunschweigische Landeskirche? Klingt doch eher provinziell.“
Nicht aus Frust über die Kirche machen sie ihr Programm, erläutert Schwesig, „sondern aus der Liebe zur Arbeit“. Es sei ein „Lachen über sich selbst“. Vielleicht sei gerade auch in der Evangelischen Kirche eine gewisse Humorlosigkeit im Leben und Denken verbreitet, meint Schaal-Ahlers. „Die Katholiken haben da einen ganz anderen Zugang, weil vor der Passionszeit die Tradition des Faschings steht.
Das Schwere leicht gesagt
Gerhard Polt, Dieter Hildebrandt, Werner Schneyder und besonders Hans-Dieter Hüsch sind die Vorbilder der beiden. Schaal-Ahlers war 20, als er Hüsch das erste Mal an der Orgel erlebt hat. „Das Schwere leicht gesagt“, dieser Satz von Hüsch ist für ihn sehr wichtig. Er könnte auch für ihr Programm stehen. „Unter den Kirchen-Kabaretts gibt es eigentlich keine Vorbilder“, meint Schwesig. Aber wie Gerhard Polt es immer wieder schaffe, das Alltäglichste ins Absurde zu ziehen, fasziniert ihn. Schaal-Ahlers hat schon viele Kleinkunsterfahrungen gesammelt, Schwesig noch nicht. Darum bekommt dieser auch immer Panik, wenn der „erfahrene“ Kollege kurzfristig den Text ändern will. „Ich lerne meinen Text immer aufs Komma auswendig, er arbeitet mehr aus dem Bauch heraus,“ beschreibt Schwesig die unterschiedlichen Charaktere. Im Schnitt treten die beiden einmal im Monat auf und werden nur durch Mundpropaganda weiterempfohlen. Große Öffentlichkeitsarbeit machen sie nicht. Ganz so, wie sie es in ihrem Programm auch sagen: Dort empfehlen sie der Kirche, alle sieben Jahre auf sämtliche Flyer und Drucksachen zu verzichten. „Oder können Sie sich vorstellen, dass Jesus damals mit seinen Jüngern Handzettel gebastelt hat?“
Das Programm der „Vorletzten“ eignet sich für kirchliche Veranstalter. Außerhalb dieses Rahmens sind sie erst einmal aufgetreten, bei den Notfallseelsorgern. Die fanden das Programm gut und stellten fest, dass es in der Kirche genauso zuginge wie bei ihnen. Eine professionelle Kabarett-Karriere streben beide Protagonisten nicht an. Es soll Hobby sein und bleiben, ein Ausgleich zum Beruf. Denn: „Wir sind beide gerne Pfarrer“, bestätigt Schaal-Ahlers.
(c) Text und Bilder Jens-Erik Paul 2008für Pressestelle der Ev. Landeskirche in Württemberg