Square-Dance-Trauung

Liebes Brautpaar,

was macht man, wenn man gefragt wird, eine Rede zu halten für das Brautpaar? Man macht ein Brainstorming. Dabei schoss mir sofort ein Satz durch den Kopf, der so gut ist, dass er in der Bibel stehen könnte – steht er aber nicht, er stammt aber vom Kirchenvater Augustinus:

Mensch, lerne tanzen, sonst wissen die Engel im Himmel nichts mit Dir anzufangen!

Ein schöner Satz, er passt zum Tanzen, er passt zur Kirche, er ist nett.

Doch als ich näher darüber nachdachte, was ich Euch Zweien eigentlich sagen will, Euch mitgeben will, stellte ich fest, dass dieser Satz für euch Beide denkbar ungeeignet scheint: Ihr zwei könnt es ja schon! Ihr tanzt ja schon Square. Trotzdem möchte ich an diesem Satz festhalten. Denn vielleicht hat er uns mehr zu sagen, als nur vordergründig die Aufforderung, sich elegant zur Musik bewegen zu können.

Keiner von uns weiß, wie es dereinst im Himmel sein wird. Vielleicht werden wir dort wirklich mit den Engelchen umeinander tanzen, vielleicht gibt es ihn wirklich, der großen himmlischen Square. Für einige eine gute und schöne Vorstellung, für andere vielleicht eher die Beschreibung der Hölle – es soll ja auch Tanzmuffel geben. Wenn der Himmel wirklich ein großer Tanz-Floor ist, dann wäre es tatsächlich von Vorteil, tanzen zu können. Aber vielleicht geht es in dem Satz auch gar nicht nur um das Tanzen als solches, das Tanzen an sich. Vielleicht geht es den Engeln im Himmel mehr um das, was das Tanzen – hier natürlich das Square-Dancing – an Lebenshilfe geben kann. Ja, das geht: Lebenshilfe durch das Tanzen (-lernen). Sogar spezielle Lebenshilfe für die Ehe bietet unser Tanz. Und wenn man dann diese Lebenshilfen genauer betrachtet, dann stellt man fest, dass diese auch viel mit dem Glauben an Gott und seinem Segen zu tun haben, unter den Ihr Euren gemeinsamen Weg heute hier stellt.

    • Man startet den Square-Dance – wie auch z. B. den Standard-Tanz – als Paar. Doch man ist als Paar nicht allein. Jedes Paar braucht noch weitere Paare, damit es tanzen kann – zumindest im Square Dance. Und das ist eine ganz wichtige Lebenshilfe: man ist auch als Paar im Leben nicht allein. Jeder und Jede ist Teil einer Umwelt, einer Gemeinschaft.
    • Wie gesagt: man startet als Paar. Doch meistens führt einen schon der erste Call (der erste Tanzbefehl) weg vom eigenen Partner. Weitere Calls bringen einen zu immer anderen Menschen aus dem Square. Das bedeutet: man muss – und darf – loslassen! Und man darf diese Zeit mit Freunden genießen. Genauso darf man auch dem Partner / der Partnerin diese Auszeiten gönnen mit den Freunden. Denn am Ende ist man immer (so soll es zumindest sein) wieder Zuhause – oder wie wir sagen: auf der Homeposition. Diese Position, dieses Zuhause, das habt ihr gemeinsam. Es ist immer wieder der Ruhepol im aufregenden Leben draußen.
    • Ja, man wechselt beim Square Dance die Partner – die momentanen Partner. Darum ist es sehr wichtig, sich nicht im Wirbel des Tanzens die falsche Dame zu schnappen – oder sich als Dame vom falschen Herrn schnappen zu lassen. Das führt zu Problemen, sowohl in der Umwelt als auch vor allem zwischen den eigentlichen Partnern – denn man findet zum Schluss die echte Partnerin / den echten Partner nicht wieder.
    • Das Spannende am Square Dance genauso wie im Leben ist, dass man es selbst nicht planen kann. Es ist nichts Einstudiertes, nichts, was auf Schienen läuft. Es gibt einen „da oben“. Und hier setze ich die Doppeldeutigkeit ganz bewusst: Es gibt im Square Dance den „da oben“ – den Caller. Und es gibt im Leben den „da oben“ – unseren Gott und Vater. Der eine lenkt den Square. Der andere aber, der lenkt unser Leben und hilft uns. Und in beiden Situationen weiß man selbst nie ganz genau, was eben dieser „da oben“ so mit einem vorhat.
    • Das heißt, man muss vertrauen können. Das mag im Square Dance noch funktionieren – da lernt man das einfach so. Aber im Leben fällt das oft verdammt schwer. Doch das Spannende ist eben, dass der „da oben“ immer einen Weg weiß. Und es zeichnet den „da oben“ aus, dass er den nicht nur aus Standard-Situationen heraus findet sondern auch in schwierigen Fällen. Im Square-Dance nennen wir das Offset-Positionen.
    • Dabei erkennt man dann, dass der Weg von dem „da oben“ oft nicht der ist, den man selbst jetzt einschlagen würde. Denn: wenn man den Weg vorausahnt und sich schon mal selbst auf den Weg macht, kann das durchaus schief gehen, weil der „da oben“ uns dann zeigt, dass es woanders langgeht.
    • Das heißt jetzt aber nicht, dass man nur die Hände in den Schoß legen braucht und selbst nicht mehr denken braucht. Nein, der „da oben“ nimmt uns das Denken nicht ab – und manchmal fordert er unser Denken sogar sehr stark!
    • Im Square Dance gibt es (im Basic+Mainstream-Programm) 68 Figuren. Der Mathematiker würde nun sagen, dass es logischerweise 68² = 4624 verschiedene Möglichkeiten gäbe, eine Figur an die andere zu knüpfen. Doch das ist nicht so. Das ist wieder wie im Leben: nicht jede Form der Weiterentwicklung von Individuen oder Paaren ist möglich. Bestimmte Schritte, die man geht, führen – im Schlechten wie im Guten – zu bestimmten weiteren Möglichkeiten. Das kann beim Square Dance zu Formationen führen, aus denen einfach kein Herauskommen mehr ist. Die einzige Lösung ist, den Square aufzulösen und heimzugehen. Nicht schön, aber machbar. Aber im Positiven heißt das, dass bestimmte Calls wieder zu bestimmten, aber trotzdem mannigfaltigen Wegen führen.
    • Im Square Dance hat man ein Ziel. Dieses Ziel – nämlich am Ende wieder mit der richtigen Partnerin / dem richtigen Partner auf der Homeposition zu stehen – will man auch erreichen. Manchmal braucht man dafür einige Umwege. Dieses Ziel erreicht man aber nur, wenn alle – vor allem man selbst und der Partner / die Partnerin, aber auch die Freunde und das Umfeld – mitmachen, das gleiche Ziel haben und es genauso erreichen wollen.
    • Es kann immer wieder zu Situationen kommen, da weiß man nicht weiter: Wo ist mein Platz? Stehe ich hier richtig? Wie geht das noch mal? Habe ich das richtig verstanden? Das Schöne dabei ist, dass man in solchen Situationen Hilfe bekommen kann: vom Partner / von der Partnerin, von den Freunden oder auch von dem „da oben“. Aber: man muss diese Hilfe auch annehmen wollen (nicht so, wie vereinzelt im Square: „7 Leute sind falsch, nur ich bin richtig“).
    • Sowohl der Square als auch das Leben bieten Euch Abenteuer mit immer wieder ungewohnten, interessanten, herausfordernden Ideen, Eindrücken und Wegen.

     

  • Vielleicht ist es das, was Augustinus meinte:

    Mensch, lerne Tanzen, sonst wissen die Engel im Himmel nichts mit dir anzufangen

    – weil Du nicht richtig gelebt hast! Liebes Brautpaar, lebt euer nun „richtig“ gemeinsames Leben so, wie IHR es leben wollt – voller Liebe! Und zieht die Kraft dafür einerseits aus Eurem Hobby und dessen Lebenshilfen, aber auch und vor allem aus dem, der uns die Liebe immer neu gibt: der Dreieinige Gott, unser Vater.

    AMEN

    (c) Jens-Erik Paul 2008, überarbeitet 2019